"Das ist einfach zu kompliziert!" Diesen Satz höre ich öfter in Bezug auf diese Seite hier, als: "Endlich werde ich mal herausgefordert!" Ob mich das stört? Neee. Einfachheit kann man sich vielleicht beim Kochen von Eiern erlauben, sofern man nicht an die unterschiedlichen Zubereitungsarten denkt, daran, wie ein Ei entsteht, woher der Strom kommt, den man vielleicht dazu braucht und sich nicht darin verstrickt, ob das Essen von Eiern der eigenen Ethik entspricht. Und was ist Ethik überhaupt...?
Es ist eben nicht so einfach, einfach zu sein. Das beginnt bereits mit der Komplexität der Sprache, mit deren Hilfe wir Komplexes verständlich machen wollen. Was gesagt wird, ist nicht wichtiger, als das, was nicht darüber gesagt wurde. Welcher Ausdruck wurde wofür verwendet und weshalb hat man es nicht anders gesagt? Ist ein Stein immer ein Stein? Ist er nicht manchmal ein Baustoff, eine Tatwaffe, ein Symbol für etwas besonders Schweres? Du siehst, selbst in den scheinbar einfachsten Dingen steckt Komplexität. Wie man dazu kommt? Man muss nur genauer werden...
Kann man darauf nicht einfach verzichten? Ein Stein ist ein Stein und basta! Einfach weg mit dem Firlefanz und die Dinge beim Namen nennen, so wie sie sind! Die Forderung kann man stellen, solange man nicht den Anspruch erhebt, etwas über das Sein dieses Steins wissen zu können! Ein Stein ist ein Stein solange er ein nicht begreifbares Objekt in der Welt ist. Sobald wir damit umgehen, ist er plötzlich hart, er bekommt Funktionen zugesprochen, es wird zwischen Steinen unterschieden und niemand, der jemals über Steine nachdachte, wird sagen können, ein Stein ist ein Stein, ohne all das jemals von ihm dazu gedachte mitzudenken.
Zugegeben, wir können mit der Komplexität nicht umgehen. Wir können sie nicht zum Ausdruck bringen, sofern wir noch etwas sagen wollen. Der Versuch des Ausdrucks würde sich im Beschreiben erschöpfen, ohne, dass jemals ein Ende in Sicht wäre. Deshalb verzichten wir auch darauf. Bewusst und unbewusst, hoffentlich im Wissen, dass wir weder alles darüber wissen geschweige denn alles darüber sagen können. Das ist dann in etwa so, als würde ein Lichtblitz eine Millisekunde lang in einem unendlich großen, dunklen Raum aufflackern. Mehr nicht! Und wenn man Glück hat, schaut das Gegenüber gerade dorthin, wo ein wenig Licht das Dunkel erhellt.
Kompliziert? Ja, das ist es. Alles was ist, ist eben nicht einfach, auch wenn manche das behaupten. Und wer das noch glaubt, indem er meint, dass das Wissen ist, hat ziemlich sicher nicht alles verstanden. Einstein meinte dazu: "Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher." Damit meinte er den uns möglichen Ausdruck von dem was ist, ohne die zugrunde liegende, nicht ausdrückbare Komplexität unter den Tisch fallen zu lassen. Die Einsicht, dass es immer mehr ist, als das, womit gerade umgegangen wird.
Man könnte jetzt meinen, dass das zu theoretisch ist um irgendwie dienlich zu sein. Schließlich braucht es handhabbare Lösungen für was auch immer. Und wenn wir das konsequent weiterdenken, ist das alles ja nicht handhabbar sondern nur verwirrend, furchtbar Kopf zerbrechend und unbefriedigend. Keine leichte Kost um etwas einfach schlucken zu können. In einer solchen Gedankenwelt ist man nicht länger Herr über Wissen, man kann nichts mehr sagen und Kommunikation wird zum Glücksfall. Einfach deprimierend. Ist es nicht so? Zu Beginn vielleicht. Bis zu dem Moment, wenn dieses Denken das dogmatische Denken ablöst. Wenn kein Anspruch mehr auf das Absolute erhoben wird und Ausdruck sich jeglichem Dysphemismus entzieht, indem das Andere nur als weiterer Lichtblick bewertet wird. Und das passiert eben gerade nicht. Wir zoffen uns, führen Kriege, erheben Ansprüche, begründen diese möglichst einfach um nicht im Aufdröseln von Komplexität diesen wieder zu verlieren. Wie stecken im gegenseitigen Widerlegen fest, weil das Eigene zum Absoluten erklärt wird. Jeden Tag! Zusammenhänge werden einfach weggelassen, damit die Wahrheit einfach bleibt und leicht zu schlucken ist. Glauben wird zum Wissen erhoben um allen anderen Unwissenheit vorwerfen zu können. Das geht soweit, dass man damit das Auslöschen jener rechtfertigt, die behaupten, über ein anderes Wissen zu verfügen. Und ich spreche nicht nur von religiösen Irrwegen. Was darf alles nicht gedacht werden, und somit nicht in die Welt kommen, indem wir ständig gedankliche Grenzen ziehen und sagen:" so ist es! Und nicht anders..."
Komplexität soll uns nicht einschüchtern. Im Gegenteil! In ihrer Allgegenwart soll sie uns entlasten, nicht alles wissen zu müssen. Sie darf uns darauf hinweisen, dass viel mehr möglich ist, als wir uns vorstellen können. Sie fordert uns auf, uns weiter zu entwickeln. Und sie lädt uns ständig auf eine Entdeckungsreise ein, die so lange dauert, bis wir ihr ein gedankliches Ende setzen. Vorerst zumindest.
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