Attraktivität (lat. attrahere, an sich ziehen, anziehen‘) ist die Anziehungskraft. Auf Menschen bezogen, kann sie sowohl auf äußerlichen Eigenschaften (Schönheit) als auch auf Wesenseigenschaften (Charakter, Geist, Charisma, soziale Stellung) oder auf Materiellem beruhen. Sie wird individuell unterschiedlich bewertet und hängt im Wesentlichen von den Erwartungen des Betrachters ab. Als subjektiver Wert ist sie dem sozialen und gesellschaftlichen Wandel unterworfen. (Wikipedia)
Vor gut 2 Jahren habe ich begonnen, Mode zu fotografieren. Damals diskutierte ich mit einem Kollegen (Fotograf) über Fashion Shoots, über Models, darüber, was man braucht um ein attraktives Bild zu bekommen. Ich gestehe, die Diskussion verlief nicht friedlich. Ich war schockiert darüber, was als attraktiv galt. Die Frau an sich war nicht genug. Ohne Manipulation, ob durch Makeup (schon mal über das Wort nachgedacht?) oder nachträgliche Bildbearbeitung, war nach der Einschätzung meines männlichen Kollegen kein gutes Ergebnis zu erwarten. Das traf mich hart. Weil ich selbst eine Frau bin, die als die gesehen werden will, die sie nun mal ist.
Ich habe damals für mich und für das Schätzchen eine Entscheidung getroffen. Keine "Models" sondern Frauen, egal wie groß, egal wie alt, Konfektionsgröße wurscht. Keine technische Manipulation am weiblichen Körper, Makeup nach Wunsch der Frau, die sich für mich vor die Kamera stellt.
Mein Ziel war es, das Wesen(tliche) zu zeigen. Den Menschen, der in meiner Mode steckt. Der sich damit bewegt, sich darin erlebt und sich dadurch zum Ausdruck bringt. Diesen Ansatz verfolge ich, trotz mancher Anregung (meist männlich), das Bild "perfekter" zu machen, indem ich Falten per Mausklick entfernen sollte, egal ob im Gesicht oder an der Hüfte.
Ich denke, ich habe eine Verantwortung, indem ich Bilder produziere und in die Welt setze. Während ich hinter der Kamera stehe, frage ich mich, was die Frau gerne von sich zeigen würde. Worauf sie stolz ist, was sie stark macht. Was sie will, dass andere von ihr sehen. Ich lasse ihr die Freiheit und spreche sie während des Shootings darauf an. Dabei habe ich noch nie erlebt, dass sich jemand auf ein Schmollmündchen hätte reduzieren lassen.
Zu Beginn steht hier "Attraktivität hängt im Wesentlichen von den Erwartungen des Betrachters ab". Wenn ich mir die Flut von verzerrten "Frauenbildern" anschaue, die als "attraktiv" gelten, dann frage ich mich, was von "Frau sein" erwartet wird. Die Inszenierung von Weiblichkeit, indem das Bild in erster Linie der Vorstellung des Bildermachers entspricht, finde ich verstörend. Natürlich habe ich als Künstlerin einen Anspruch an Ästhetik und Bildkomposition, wenngleich ich nicht über die Individualität der Frau hinweggehen kann. Dafür wähle ich sie ja aus. Reicht das nicht?
Die "Profis" schütteln den Kopf. Speziell dann, wenn der Mensch nur Beiwerk ist, um ein Produkt zu präsentieren. Image muss übertragen werden. Emotionen im Umgang damit, sollen gezeigt werden, um Nachahmer zu finden, die es dann auch kaufen. Vieles ist zu beachten, Individualität hat zwischen den Werbebotschaften keinen Platz.
Ich verstehe das, wenngleich ich es für mich nicht will. Weder als Fotografin/Künstlerin, noch als Konsumentin. Offen gesagt habe ich es satt, mir ständig Bilder vor Augen zu halten, die alles zeigen, nur nicht den Menschen, der abgebildet ist. Ich wünsche mir mehr Natürlichkeit, ein Selbstverständnis. Ich wünsche mir Bilder, die dem Facettenreichtum des Individuums einigermaßen gerecht werden, ohne Maske und ungeschminkt. Ich denke, dann würde sich vieles verändern. Beginnend damit, wie wir über Frau sein denken, was wir ihr zugestehen, welche Ansprüche wir an sie stellen und was wir ihr nicht mehr absprechen können. Wenn ich lese "Als subjektiver Wert (Attraktivität) ist sie dem sozialen und gesellschaftlichen Wandel unterworfen", dann muss ich mich fragen, wo diese Bilder bleiben? Warum wird nicht vehementer danach verlangt? Oder ist die Vorstellung, was eine attraktive Frau ausmacht, noch immer ein Bild aus längst vergangenen Zeiten?